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GK 2017_Lob der Quote

Zur Person

Zur Person

Dr. Urs Lindner ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Koordinator des Projekts „Ordnung durch Bewegung“ am Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt. In Teil sieben unserer Beitragsreihe erklärt er, inwieweit Quoten aus seiner Sicht einen Teil dazu beitragen können, den Arbeitsmarkt der Zukunft gerechter zu gestalten.

Vortrag

Vortrag

Das neue Wissenschaftsjahr des Bundesministeriums für Bildung und Forschung widmet sich 2018 dem Thema „Arbeitswelten der Zukunft“. Es soll „erkunden, welche Chancen sich eröffnen und vor welchen Herausforderungen wir stehen“. Forschung, Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur suchen gemeinsam nach Antworten auf Fragen zu den Arbeitsplätzen von übermorgen. Auch die Universität Erfurt beteiligt sich mit einer Beitragsreihe wieder am Themenjahr des BMBF und geht dabei aus geisteswissenschaftlicher Sicht der Frage auf den Grund, wie sich zukünftige Arbeitswelten gestalten werden. Welche Ängste bringen Digitalisierung und Robotik mit sich? Wie haben sich Berufe gewandelt, beispielsweise der Lehrerberuf, die Arbeit in Bibliotheken und Archiven oder die Tätigkeit des Forschers selbst? Was ist Arbeit überhaupt, etwa lediglich die Erwerbstätigkeit oder nicht doch alles, was uns im Leben prägt, von familiären und freundschaftlichen Beziehungen bis hin zur Muße? Welche Rolle spielen zukünftig Internationalisierung, Ehrenamt, ständige Leistungssteigerung und Work-Life-Balance? Und wie müssen sich Unternehmen verändern, um zukunftsfähig zu bleiben? Diese und weitere Fragen sollen in der Textreihe „Arbeitswelten der Zukunft – Beiträge der Universität Erfurt zum Wissenschaftsjahr 2018“ diskutiert werden.

 

Ende März 2018 präsentierte der frisch ernannte Bundesinnenminister Horst Seehofer die „Führungsmannschaft“ für sein neugeschaffenes Heimatministerium. Auf dem Mannschaftsfoto sind neun weiße Männer im mittleren bis fortgeschrittenen Alter zu sehen und keine einzige Frau bzw. Angehörige irgendwelcher Minderheiten. Das Foto löste erhebliche Empörung aus: Maria Spetter, die Gleichstellungsbeauftragte des Bundesinnenministeriums, etwa warf ihrem Chef vor, mit seinen Personalentscheidungen den Koalitionsvertrag zu „verhöhnen“. Nese Erikli, eine grüne Landtagsabgeordnete aus Baden-Württemberg, teilte hat das Foto mit dem schlichten Kommentar: „Warum Quoten eine gute Sache sind“.

Ein Blick auf die anderen Bundesministerien zeigt allerdings schnell, dass Horst Seehofer kein „Einzeltäter“ ist. Zwar ist die maskulinistische Personalpolitik in der CSU und den von ihr geführten Ministerien am ausgeprägtesten (alle drei Ministerien wurden mit Männern besetzt), doch weisen auch die meisten anderen Häuser unterhalb der Minister*innenebene eine eklatante Geschlechterdisparität bei der Besetzung von Leitungspositionen auf. Wie kann es sein, dass im Jahr 2018 in einer Bundesregierung mit einer Kanzlerin und einer Verteidigungsministerin noch immer ein derartiger „gender gap“ auftritt? „Ohne zwingende Quoten ändert sich offenbar nichts“, schrieb die Philosophin Beate Rössler bereits vor einigen Jahren: Es ist eine Sache, einen Kulturwandel herbeizuführen, auf dessen Grundlage einzelne Frauen aufsteigen können und männerbündische Amigopraktiken als Skandal erscheinen. Es ist eine andere Sache, überkommene Organisationsstrukturen aufzubrechen.

Deutschland hat, ziemlich einmalig auf der Welt, die „tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern“ als Verfassungsauftrag in den Grundrechten (Artikel 3, GG) verankert. (Im Grundrechtekatalog der Bayerischen Landesverfassung findet sich das Äquivalent zu Artikel 3, GG übrigens unter ferner liefen, z.B. nach einem öffentlichen Auftrag zur „Bekämpfung von Schmutz und Schund“!) Und nach Artikel 5 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, des deutschen Civil Rights Act, ist eine „unterschiedliche Behandlung“ dann zulässig, „wenn durch geeignete und angemessene Maßnahmen bestehende Nachteile verhindert oder ausgeglichen werden sollen“. Quoten sind das stärkste Mittel einer solchen „unterschiedlichen Behandlung“. Sie bedeuten nicht nur, dass besondere Anstrengungen unternommen werden, um Frauen und Angehörige von Minderheiten zu rekrutieren, oder dass spezielle Programme aufgelegt werden, um diese zu fördern. Mit Quoten wird soziale Benachteiligung zu einem Entscheidungskriterium bei der Vergabe von Ämtern, Stellen oder sonst wie knappen Gütern.

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Literatur

Literatur

Literatur:

  • Alfinito Viera, Ana Carolina/Graser, Alex (2014), „The Case Against the Case Against Affirmative Action“, in: Dupper, Ockert/Sankaran, Kamala (Hg.), Affirmative Action: A View from the Global South, Stellenbosch (Sun Press), 63-87.
  • Deshpande, Satish (2013), „Caste Quotas and Formal Inclusion in Indian Higher Education“, in: Deshpande, Satish/Zacharias, Usha (Hg.), Beyond Inclusion: The Practice of Equal Access in Indian Higher Education, New Delhi (Routledge), 13-47.
  • Rössler, Beate (2012), „Frauen verzweifelt gesucht? Über Quoten und Gerechtigkeit“, in: Merkur: Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, 66. Jg., Heft 5, 371-381.

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